60 Jahre, und kein bisschen weise.
Was für Schauspieler Curd Jürgens einst eine gesprochen-gesungene Zwischenbilanz seines Lebens war, gilt auch für das Konstrukt eines Landesverbands. Hungrig bleiben, stets lernen, stets versuchen, besser zu werden – denn „weise“ bedeutet ja auch, dass man alles weiß und alles kann. Aber wer kann das schon?
So war schon die Gründung des VLW extrem aufregend. Am 18. November 1962 kamen Vertreter des BffL Stuttgart, des PSV Reutlingen und der TSG Tübingen zusammen und gründeten den Volleyball-Landesverband Württemberg, verabschiedeten eine eigene Satzung und wählten einen Vorstand. Der Stuttgarter TV (Vorläufer des tus Stuttgart), der unter dem Dach des Deutschen Turnerbunds schon länger mit seinen Volleyballaktivitäten agierte, wurde nach einem klärenden Gespräch im März 1963 mit in den VLW geholt und damit zum DVV, der erst seit September 1960 als eigenständiger Verband im Deutschen Sportbund agierte.
1971 wurde der VLW in den Württembergischen Landessportbund aufgenommen. In der Folge der Olympischen Spiele in München 1972 kam es dann zu einem überaus starken Wachstum. Die Grundlagen dafür lagen in den Lehrplänen der Hochschulen, denn Volleyball gehörte zur Sportlehrerausbildung und wurde zusätzlich zum Lehrplan an Schulen auch in AGs angeboten.
Für die einzelnen Fachbereiche wurden mit der Zeit Ausschüsse notwendig und gebildet: Sport (1971), Schulsport (1976), Freizeitvolleyball (1978), und Beachvolleyball (1996). 1982 wurde die Repräsentanz der einzelnen Vereine durch das Delegiertensystem gesichert und die Bezirksstruktur eingeführt. Seit 1977 gab es regelmäßig erscheinende Verbandsnachrichten, seit 1999 die „VolleyNews“.
Die prägendsten Akteure in den wichtigen Jahren des Wachstums waren Josef Mosonyi, der über einen Zeitraum von über 30 Jahren „unermüdlicher Motor und überzeugter Verfechter des Leistungsgedankens im VLW war“, so Ehrenpräsident Jörg Schwenk in seiner geschichtlichen Zusammenfassung zum 50. Geburtstag des Verbandes vor zehn Jahren. Schwenk, heute Ehrenpräsident, leitete den Verband von 1970 bis 2002, und ist als konditionsstarker, pfiffiger und prägender Wegbereiter seinerzeit, und treuer und unermüdlicher Wegbegleiter bis heute, eine unschätzbar wertvolle Säule des VLW.
Auch im organisatorischen Bereich bildete sich der Aufschwung über die Jahrzehnte hinweg ab. Die Geschäftsstelle des Verbandes entwickelte sich von Privaträumen ab 1974 mit der Verlegung in einen ehemaligen Friseursalon nach Nürtingen-Oberensingen 1983, zehn Jahre später in das Obergeschoss eines Autohauses, ebenfalls in Nürtingen. 2005 erfolgte der Umzug ins „SpOrt Stuttgart“ im Schatten der Mercedes-Benz-Arena. Dieses Jahr wurden innerhalb des Gebäudes größere Räumlichkeiten bezogen und die ehemaligen untervermietet.
Die sportlichen Erfolge in den vergangenen zehn Jahren wurden immer hochkarätiger: Im Frauenbereich sammelte Erstligist Allianz MTV Stuttgart Titel (Pokalsiege 2015 und 2017, Supercup 2016, 2020 erstmals die Meisterschaft und im VLW-Jubiläumsjahr 2022 erstmals das Double sowie die Silbermedaille im europäischen CEV-Cup). Die Männer des VfB Friedrichshafen griffen im vergangenen Jahrzehnt noch öfters nach Edelmetall: Pokalsiege 2012, 2014, 2015, 2017, 2018, 2019, 2022 sowie die Meisterschaft 2015 und Supercup-Erfolge 2016, 2017 und 2018.
Auch im Beachvolleyball feierten VLW-Athleten erfolgreiche Sprünge auf das Podest: Deutsche Meisterschafts-Titel für Karla Borger und Britta Büthe 2014, Chantal Laboureur und Julia Sude 2017, Karla Borger und Julia Sude 2019, Chantal Laboureur mit Sandra Ittlinger 2020 und Chantal Laboureur mit Sarah Schulz 2021. Zudem fielen in diesen Zeitraum die Teilnahme an Olympischen Spielen von Karla Borger und Britta Büthe (2016 in Rio de Janeiro) sowie Karla Borger und Julia Sude (2021 in Tokyo) – um nur die größten Erfolge zu nennen.
Was eher fernab der Medienberichterstattung verlief, aber nicht als weniger erfolgreich anzusehen ist, ist die Etablierung zweier Stützpunkte im Verband mit den Bundesstützpunkten Stuttgart (Beachvolleyball und Volleyball weiblich) und Friedrichshafen (Volleyball männlich).
Die weitaus größte Herausforderung in der vergangenen Dekade war allerdings nicht sportlicher, sondern rein biologischer Natur. Die Corona-Pandemie forderte alles ab und wurde über Nacht zu einer zuvor noch nie dagewesenen Herausforderung für den Verband. Doch wie so oft glänzte der VLW wieder einmal, weil es den Handelnden gelang, aus der Not eine Tugend zu machen. Längst angedachte Maßnahmen zur Digitalisierung der Verbandsarbeit wurden beschleunigt umgesetzt – sei es im Lehrwesen, im Schiedsrichterbereich oder in der Gremienarbeit.
Eine Konstante in den Entwicklungen auch der vergangenen zehn Jahre ist VLW-Präsident Martin Walter, bereits seit 2002 im Amt. „Was vergangen, kehrt nicht wieder. Aber ging es leuchtend nieder, leuchtet’s lange noch zurück“ zitiert Martin Walter den Dichter Karl August Förster und führt weiter aus: „Die insgesamt leuchtende Vergangenheit des VLW ist uns und auch unseren Nachfolgern Verpflichtung und Auftrag gleichermaßen, auch die nächsten Jahre und Jahrzehnte tatkräftig und innovativ, vereinsorientiert und zukunftsfähig zu arbeiten und den VLW zu gestalten.“
Und das darf ruhig jeder mitbekommen. 60 Jahre, und kein bisschen leise.