Eine Weltkarriere

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Klaus Fezer aus Herbrechtingen war unglaubliche 50 Jahre im deutschen und internationalen Volleyball-Schiedsrichterwesen tätig. Dabei umrundete er mehrfach den Erdball, brachte Neuerungen auf den Weg, hatte unzählige außergewöhnliche Erlebnisse, besondere Begegnungen – auch bei den olympischen Spielen.

Wenn Klaus Fezer in seinen Unterlagen kramt, fühlt man sich wie im Archiv des Volleyball-Weltverbandes, an so vielen Orten, bei so vielen wichtigen Wettkämpfen und Entscheidungen war der mittlerweile 79 Jahre alte Herbrechtinger beteiligt.

Dabei hätte der in Stuttgart geborene und in Heidenheim aufgewachsene Sportler in seiner Jugend gar nicht geahnt, dass er einmal so tief in die Welt des Pritschens, Baggerns und Schmetterns eintauchen würde. „Mein Sport war die Leichtathletik, ich war zeitweise der schnellste Mann im Kreis“, berichtet Fezer, für den 10,8 Sekunden über 100 Meter zu Buche stehen, der über 200 Meter im württembergischen Endlauf war.

In der Schule hatte er über einen Lehrer ersten Kontakt zum Volleyball und nachdem ein durch Funktionäre ausgelöstes Frusterlebnis die Leichtathletik-Karriere beendet hatte, widmetet er sich während des Studiums immer intensiver diesem Sport.

Fezer begann Volleyball zu spielen in der Mannschaft der TH Stuttgart. Seinen ersten internationalen Kontakt hatte er bei einem Freundschaftsspiel in Poitiers gegen die dortige Universität. Und wie das Leben so spielt, als er 1995 in derselben französischen Stadt als Schiedsrichter bei der Jugend-Weltmeisterschaft im Einsatz war und Kontakt zum Oberbürgermeister bekam, stellte sich heraus, dass die beiden 30 Jahre zuvor gegeneinander gespielt hatten. Ein Jahr später wechselte er zum Stuttgarter TV, wo Joschka Mosonyi sein Trainer wurde. Dieser verdonnerte ihn, an einem Schiedsrichterlehrgang teilzunehmen: die praktische Prüfung legte er bei den Deutschen Seniorenmeisterschaften in Reutlingen ab. Nachdem er studienbedingt mit dem Volleyball kürzer getreten hatte, trat er 1971 bis 75 wieder für den TSB Heidenheim an. 1971, nach Beendigung seines Studiums, absolvierte er den Trainerlehrgang und ein Jahr später erwarb er die Schiedsrichter-B-Lizenz. Mit dieser waren Einsätze in der damals zweithöchsten Spielklasse, der Regionalliga verbunden. 1973 begann seine Tätigkeit für den Volleyball-Landesverband Württemberg, er wurde Bezirksschiedsrichterwart. Bereits ein Jahr später übernahm er den Posten des Regional-Schiedsrichterwarts und sprang 1975 sehr kurzfristig als Einsatzleiter für die Linienrichter und Schreiber bei der Junioren-Europameisterschaft in Stuttgart und Böblingen ein. In der Vorbereitung auf diese kam er völlig unerwartet zu seinen ersten drei Länderspielen.

Ein Jahr später übernahm er bei VLW den Posten des Landesschiedsrichterwarts, den er 23 Jahre lang bekleidete. In diesen Jahren brachte er das Schiedsrichterwesen in Württemberg an die Spitze in Deutschland. Zeitweise kam rund ein Fünftel aller Bundesligaschiedsrichter aus Württemberg, und die Zahl der aktiven Schiedsrichter steigerte sich von rund 40 im Jahr 1975 auf rund 4400 bei seinem Ausscheiden aus diesem Amt im Jahr 1997.

1975 vertrat er erstmals den VLW bei der Konferenz der Schiedsrichterwarte. Er wurde zum A-Kandidaten befördert und nach erfolgreicher Sichtung erhielt er im selben Jahr die Bundesligazulassung. Relativ schnell wurde ihm die A-Lizenz erteilt, verbunden mit  verstärkten Einsätzen bei internationalen Spielen.

Von 1977 bis 1981 vertrat er den VLW im Bundesschiedsrichterausschuß. Von ihm stammt der Entwurf für die Bundesschiedsrichterordnung, und er führte während dieser Zeit bundesweite Prüferseminare zur Vereinheitlichung des Ausbildungswesens auf Bundesebene ein.

1983 war es dann so weit – Fezer wurde zum I-Kandidaten-Lehrgang nach Sofia geschickt. Dieser wurde komplett auf Französisch abgehalten. „Ich hatte zwei Freunde neben mir und musste pausenlos übersetzen“, erinnert sich Fezer. Bei diesem Kurs traf er viele gute Schiedsrichter aus anderen europäischen Ländern, die später mit ihm zusammen auf Weltspitze gepfiffen hatten. Die sehr guten theoretischen und praktischen Prüfungsergebnisse deuteten auf eine besondere Karriere hin.

Ab 1979 baute Fezer parallel die Volleyballabteilung in Herbrechtingen auf, war bis vor acht Jahren dort noch Trainer. Zu seinen Schützlingen zählt beispielsweise die vielfache Nationalspielerin Birgit Thumm. Und als Spieler ist er sogar bis heute noch aktiv und wird im November an seiner neunten deutschen Seniorenmeisterschaft (mittlerweile Ü73) teilnehmen – zweimal reichte es dabei zu Bronze.

Als Schiedsrichter war er dann weltweit im Einsatz. Im November 1986 wurde er bei der Militär-WM in Colorado Springs eingesetzt, vier Jahre später bei der B-WM in Spanien, die als Vorbereitung auf die olympischen Spiele von Barcelona diente. „Ich war damals beim Weltverband nicht bekannt, bekam nur unbedeutende Spiele, aber dann lobte mich der Beobachter und ich bekam sogar noch das sehr wichtige Spiel um Platz drei“, sagt Fezer.

Leider bescherte ihm dann der damalige Bundesschiedsrichterwart ein unschönes Problem: Der Weltverband FIVB hatte diesem Klaus Fezer als Kandidat für den FIVB-Schiedsrichter vorgeschlagen, doch er lehnte aus unerklärlichen Gründen ab. „Das hat mich fünf Jahre in der absoluten Spitze gekostet“, erzählt der Herbrechtinger bedauernd. Er war aber auch so gut beschäftigt, schaffte es 1995 in die Weltliga und zwei Jahre später dann doch in den Kreis der FIVB-Schiedsrichter, der zehn besten Volleyballschiedsrichter der Welt.

Und das bescherte ihm schließlich den Höhepunkt, die Einsätze bei den Olympischen Spielen im Jahr 2000. Sieben Spiele leitete er in Sydney, traf dort auch Mireya Luis wieder. Ein besonderes Erlebnis ergab sich, nachdem diese ihre dritte Goldmedaille gewonnen hatte: Sie gab in der Mixed-Zone ein Live-Interview im kubanischen Fernsehen; Fezer stellte sich neben den Kameramann, um ihr später gratulieren zu können. Sie erblickte ihn, unterbrach das Interview, kam zu ihm und umarmte ihn. Die Kubanerin, die lange Zeit als beste Volleyballerin der Welt galt, hatte er 1991 bei einem internationalen Turnier in Herbrechtingen kennengelernt. Damals feierten die Delegationen von Kuba - mit dem Trainer des Jahrhunderts, Eugenio George, - Kanada und Deutschland einen unvergesslichen Abend im Hause Fezer - der Weinkeller wies danach große Lücken auf.

Nach Sydney nahte altershalber der Abschied, 2001 pfiff Fezer sein letztes internationales Spiel, wollte sich in der Folge mit dem Segelfliegen einem neuen Hobby widmen. Doch es kam anders, der Herbrechtinger wurde ins Organisationsteam für die Frauenweltmeisterschaft 2002 berufen. „Wegen einer Terminverschiebung hatten wir nur ein Jahr zur Vorbereitung statt wie normal vier. Da war ich kaum noch ein Wochenende zu Hause“, sagt Fezer. In der Folge wurde er offizieller Betreuer des DVV bei nahezu allen Großveranstaltungen bis 2019, Supervisor bei der FIVB in der Weltliga und im Grand Prix und in der Champions League der CEV. Von 2002 bis 2010 war er Mitglied der Spielregel-Kommission des Weltverbandes und dort zuständig für die drei Hauptwerke – Spielregeln, Casebook und Multimedia Teaching Material. In dieser Zeit war er bei mehreren Weltmeisterschaften im Kontrollkomitee und der Jury. 

Als Ausbilder für Internationale Schiedsrichter leitete er u.a. Lehrgänge in so exotischen Ländern wie Benin, Nigeria oder Sudan. „In Nigeria ging immer in der Halle das Licht aus, aber das war noch das kleinste Problem“, erzählt Fezer mit einem Schmunzeln. Denn in den anderen Ländern fand der Lehrgang zumindest teilweise im Freien bei sengender Hitze statt.

Für seine Verdienste für den Volleyballsport wurde Fezer u.a. mit dem Ehrenring des VLW, der Goldenen Ehrennadel des DVV und der Staufermedaille des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Seine Volleyball-Karriere führte ihn auf alle Erdteile. „Die Meilen habe ich nicht gezählt, aber es waren mindestens 300 Starts und Landungen“, sagt Fezer, der die Fliegerei gar nicht so schätzt, beispielsweise zu den Tagungen in Lausanne stets ganz gemütlich mit seiner Vespa fuhr. Außer einem Taschengeld gab es für die zahllosen Einsätze nichts, das hatte Fezer auch nie erwartet. „Ich habe es einfach wegen der Freude am Sport gemacht und ich habe Freundschaften auf der ganzen Welt geschlossen, die bis heute halten“, sagt der Unermüdliche.

Wie hat sich der Sport in all diesen Jahren verändert. „Das Niveau ist enorm gestiegen, die haben früher auch super Volleyball gespielt, aber technisch und taktisch ist das nicht mehr vergleichbar“, sagt Fezer, der sich sehr freut, dass es öfters Übertragungen im TV gibt und vor allem darüber, dass Volleyball in Deutschland im Aufwind ist. „Die Zahl der Aktiven steigt, die Männer sind für die Olympischen Spiele qualifiziert, die Frauen schaffen es vielleicht auch noch“, so Fezer. Auch für die Schiedsrichter hat sich einiges verändert. „Die Technik wird nicht mehr so streng beurteilt“, sagt Fezer mit Blick auf Doppelberührungen oder Berührungen unterhalb der Gürtellinie. Diese Schritte ging er mit, ebenso wie die Umstellung auf die Drei-Punkte-Regel oder das Rallye-Point-Zählsystem. Er wäre noch einen Schritt weiter gegangen, hat Spiele auf fünf Gewinnsätze à 15 Punkte vorgeschlagen, um die Zahl der Fehlaufschläge zu vermindern.

Im Dezember 2023 war er letztmals als Supervisor in der CEV Champions League im Einsatz, im Mai hörte er nun – nach mehr als 200 Spielen - auch als Supervisor in der Bundesliga auf. „Im Nachhinein habe ich dann erfahren, dass die Altersgrenze bei der CEV eigentlich eh bei 72 Jahren liegt“, berichtet der 79-Jährige lachend. In all den Jahren pfiff er 874 nationale und 364 internationale Spiele, war 56 Mal im Europacup, 12 Mal in der Weltliga und je 34 Mal bei Welt- und Europameisterschaften im Einsatz.

„Das alles wird mir fehlen, aber irgendwann muss Schluss sein“, sagt Fezer. Die Hobbies gehen ihm nicht aus. Beim VLW ist er noch im Ehrenrat, bei der TSV Herbrechtingen ist er im Ehrungsausschuss, führt das Archiv der Volleyballabteilung. Fezer ist Wanderführer, umrundete zu Fuß auch schon über 600 Kilometer die Schwäbische Alb, hat seinen Garten, seine Grafiksammlung, organisiert zusammen mit seiner Frau Helga Opernfahrten und singt in einem Oratorienchor. Und natürlich verfolgt er das Volleyballgeschehen weiter mit großer Aufmerksamkeit – und Begeisterung.

Interview: Thomas Jentscher, Heidenheimer Zeitung

Korrekturen und Ergänzungen: Klaus Fezer

veröffentlicht am Donnerstag, 15. August 2024 um 11:26; erstellt von Engelhardt, Torben
letzte Änderung: 19.08.24 10:22

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